Susanne Demmer schreibt in diesem Blog mit mir die Geschichten
rund die Bundesstraße 224. Sie im Norden, ich im Süden. Den folgenden
Text hat sie direkt ins Netz eingestellt und ihren Unmut als
Anwohnerin der Gladbecker Straße und direkt Betroffene freien Lauf gelassen. Ja, ich gebe ihr voll
und ganz recht. Die B 224 ist die am
stärksten frequentierte Straße in Essen. Allein im Norden rollen täglich 40.000
Autos in die Stadt. Die Messwerte werden häufig überschritten. Und die
Stadtverwaltung geht mit homöophatischen Mitteln dagegen vor. Jetzt wurde vor dem
Oberverwaltungsgericht Münster ein
Vergleich geschlossen. Aufschub für die Stadtoberen. Sie dürfen sich noch etwas
einfallen lassen. Nicht nur für die B 224. Umweltspur, Änderung der Ampelschaltung? Auch im
Süden von Essen schlängelt sich der Verkehr zähflüssig und einspurig durch den
Stadtteil Werden. Hier wo die Stadt vor über 1000 Jahren seinen Anfang
nahm. Ein bisschen ruhig wird es nur, wenn einmal im Jahr die Gebeine von Liudger
über die B 224 getragen werden. Apropos Gebeine. Das erinnert an Krankheit und
Tod. Und das könnte bei einigen Betroffenen eintreten, die direkt dem Dreck an
der Bundesstraße oder auch der A 40 ausgesetzt sind.
Kein Fahrverbot und
sonst auch nichts für den Essener Norden
Von Susanne Demmer
Nein, wahrscheinlich hätte ein Dieselfahrverbot das Leben im
Essener Norden nicht viel gesünder gemacht, aber nun werden wir wohl wieder
erleben, wie das Nord-Süd-Verkehrsgedanken-Gefälle komplett auf den
altbekannten Modus „Ignorieren, Totschweigen und Nichtstun“ gesetzt wird. Das
kurze Aufflackern eines „Lichts am dreckigen nördlichen Lufthorizont“ wurde
vorerst gestoppt und die bodennahe Entlüftung von Giftstoffen kann weitergehen.
Im gesamten Essener Norden.
Während Produktrückrufe von Leberwurst, Milch oder Keksen im
Internet wie verrückt geteilt werden, um Menschen vor Gesundheitsschäden zu
schützen, bleiben Hilferufe aus dem Norden nahezu ungehört. Es ist davon
auszugehen, dass dieses Jahr erneut der 40-er-Grenzwert beim Stickstoffdioxid
auf der Gladbecker Straße überschritten wird. An wie vielen anderen Stellen
krank machende Luft geatmet wurde, weiß keiner.
Wir sollten aufwachen und erkennen, dass wir Altenessener
eigentlich nie vorkamen, als man über bessere Luft in Essen debattierte. Unsere
Stadtautobahnen „Altenessener Straße und Gladbecker Straße“ hatte keine Lobby,
als man dem ungezügelten, enthemmten motorisierten Individualverkehr etwas
entgegen setzen wollte und so werden auch auf lange Sicht hin weiterhin Tag für
Tag zehntausende Fahrzeuge unsere Straßen verstopfen und immer mehr
Nebenstraßenbewohner werden erleben, dass sich die Situation bei ihnen
verschärfen wird. Die Hoffnung, massives Fahrzeugaufkommen aus den Nebenstraßen
auszuschließen, wird nicht erfüllt werden können, solange man immer mehr MIV
und LKW ungeregelt in die Stadt lässt. Hierzu gehört unter anderem der
Transitverkehr, der unsere Stadt nur durchquert, aber keinen Nutzen für uns
Bürger hat. Wollen wir das?
Es muss Schluss sein, dass wir Bürger des Essener Nordens
wie eine lästige Randerscheinung entlang fanatisch gewollter Stadtautobahnen
behandelt werden.
Es ist nebenbei auch völlig absurd, zehntausende Fahrzeuge über den Essener
Norden in die Stadt zu führen, die dann in der Innenstadt auf ein
Umweltspur-Gebiet prallen. Ein Verkehrsprojekt, das die Trichterwirkung bereits
im Programm trägt, ist schlichtweg blödsinnig, weil zu kurz gedacht. Eine „ganz
gedachte“ Umweltspur, beginnend an den nördlichen Stadtgrenzen, ist ein weitaus
vernünftigerer Ansatz, aber diese Idee wurde in Essen sofort im Keim erstickt.
Und hieß es nicht mal, dass eine aktuelle Belastungskarte
für das gesamte Essener Stadtgebiet erstellt werden sollte? Wo sind denn die
Zahlen für die Stauderstraße, die Altenessener Straße, die Kleine Hammerstraße,
die Hövelstraße, die Karlstraße, etc.? Welche Luft atmen die Bürger dort ein?
Wir müssen ganz genau hinhören, was die Stadt uns als
„rosige Zukunft“ verspricht, denn wenn selbst Politiker beispielsweise den lang
geplanten „Kreuzungsumbau Gladbecker Straße / Berthold-Beitz-Boulevard“ schon
längst als wirkungslos erkannt haben, deutet alles darauf hin, dass neue
Lösungen her müssen.
Solange das Recht auf saubere Luft und Lärmschutz im Essener
Norden täglich gebrochen wird, müssen wir Bürger laut sein. Der Schutz unserer
Gesundheit darf nicht mit Füßen getreten werden und dem Nord-Süd-Gefälle zum
Opfer fallen. Wir sollten mit Argusaugen darauf schauen, was uns in Zukunft
bevor steht, denn im Moment scheint die verstärkte Ansiedlung von Gewerbe- und
Logistikunternehmen in und rund um den Essener Norden eher auf steigendes
Verkehrsaufkommen hinzuweisen, als dass sich unser Wohnumfeld so entwickelt,
dass unser Lebensraum nicht mehr exklusiv für PKW und LKW verplant wird.
Im Süden der Stadt schenkt man der B224 eine weitaus höhere
Aufmerksamkeit als der Gladbecker Straße und zeitgleich befeuert man die
Öffentlichkeit mit der irren Annahme, dass durch mehr Straßenbau im Essener
Norden, etwas besser werden würde. Ich warne davor, solchen Heilsversprechen zu
glauben. Das hat schon an anderen Orten der Welt nicht geklappt.
Lieber Nordbewohner, bitte sei laut. Lass es nicht zu, dass
nördlich der A40 deine Bürgerinteressen nicht gehört werden, egal, ob es darum
geht, dass künftig in deiner Nähe Klärschlämme und Industrieschlämme verfeuert
werden oder du feststellst, dass der ÖPNV und das Radfahren an anderen Orten
viel besser funktioniert. Sei laut.